Die Klosterbäckerei in Wettenhausen

Wie ich zum „Klosterbäck“ wurde

Der Kaisersaal des Klosters Wettenhausen
Blick auf den Ostflügel des Klosters Wettenhausen vom Obstgarten aus

Von schwarzen Kochlöffeln, Apfelstrudeln und Laibla

Die Küche war schon von Kindesbeinen an quasi mein Wohnzimmer. Und gebacken habe ich auch schon immer gerne. Meine frühesten Erinnerungen an Küchen sind definitiv die, bei denen ich mit meiner Oma in der Küche stand und Marmelade kochte. Sie hatte einen Holzkochlöffel, der schon ganz schwarz war von den vielen Brombeeren und Johannisbeeren die damit zu Konfitüre verarbeitet wurden. Diesen Kochlöffel werde ich nie vergessen, zeigt er doch ein ganzes Leben voll Arbeit am Herd und von dem Wunsch die wertvollen Früchte des Sommers auch im Winter genießen zu wollen.

Auch Weinbeeren, die ich auf steirische Apfelstrudel streute oder mit meiner Mama Plätzchen (=Laibla) backend an meinem Kindertisch stand sind für mich Erinnerungen, die sich ganz tief in mir eingebrannt haben. Irgendwo da muss ich mir das Backvirus mal eingefangen haben, an dem ich seither erkrankt bin.
Meine Mama erzählt mir immer, dass ich als Kind, bevor ich lesen konnte, immer schon Ihre Backbücher mit ins Bett genommen habe und mir die Bilder angesehen habe, bevor ich schlafen ging. Später dann, als ich in die Schule kam und lesen lernte, hatte ich bald schon meine ersten Koch- und Backbücher.

Von Bäckern die schließen, und Öfen die brennen

Brot ist etwas Besonderes. Es braucht Menschen die das Getreide säen und ernten, das Mehl ermahlen und daraus Brot backen. Unendliche Mühen und vieler Hände Arbeit braucht es bevor ein Laib Brot auf dem Tisch liegen kann. Aber nicht nur Brot, sondern bei allen Lebensmitteln ist das so und sie sollten mehr wertgeschätzt werden. Sie sollten geschätzt werden, als das was sie sind, Mittel zum Leben.

Viel von dem was ich gelernt habe, habe ich von meiner Mutter, einer gelernten Bäckereifachverkäuferin, abgeguckt. Einiges davon habe ich im Laufe der Zeit vielleicht besser gemacht, vieles aber kann meine Mutter immer noch besser als ich.

Unser Brot haben wir, und es war eigentlich immer dasselbe Brot (ein Drei-Pfund-Bauernbrot, glatt kastanienbraune Farbe, dichte Porung, frisch sehr gut, nach zwei Tage säuerte es nach und hat super als Röstbrot geschmeckt), bei einem kleinen Bäcker in der nächst größeren Stadt gekauft. Irgendwann musste er jedoch schließen. Nun war guter Rat teuer, wo das nächste Brot kaufen, wenn der Vorrat in der Gefriertruhe leer wird?

Brot im Supermarkt zu kaufen kam für uns nie in den Sinn. Schon gar nicht meiner Mutter. Sie hat in einer Bäckerei gelernt, sie kennt die Arbeit, die in einem Laib Brot steckt und sie hat immer schon die Menschen geschätzt die es herstellten. Ihr Vater war Landwirt. Für mich ist er, auch wenn er leider nicht mehr unter uns weilt, ein ganz besonderer Mensch. Bescheiden, arbeitsam, immer zufrieden. Ein einfacher Mann, der das Gute zu schätzen wusste und die Arbeit nie scheute. Von ihm habe ich bestimmt meine Verbundenheit zur Erde und zur Landwirtschaft geerbt. Kurzum, Brot, dass noch mindestens ein Paar Hände gesehen hat, sollte es sein. Warum dann nicht mal selbst backen?
Mein Vater war es, der irgendwann die Idee eines Holzbackofens im eigenen Garten vorschlug. Wir suchten einen und fanden ein gebrauchtes Exemplar in der Nähe von Aichstätt.

Tja, da war er nun, der 500 kg Ofen. Wie solls nun weitergehen?

Die ersten Backversuche mit Sauerteig vom Bäcker schlugen fehl. Ich hatte keine Ahnung und keine Geduld, was sich beim Backen immer rächt. Das muss man auch erst lernen. Den Teig für einen Backtag von Hand zu kneten ist anstrengend, Kräfte zehrend und auf Dauer keine Lösung gewesen. Was also tun?

Von Kellerfenstern und Knetmaschinen

Mein Vater wollte immer Müller werden. Auf einer Windmühle in Holland. Das war sein allergrößter Traum. Leider hat das nie geklappt. Aber: Das Interesse an der Müllerei ist nie verloren gegangen. Gab es doch auch in seinem Geburtsort eine kleine Mühle für die Bauern, wo er als Bub schon Mehl geholt hat.
Am Tag des offenen Denkmals im Kloster Wettenhausen im Jahr 2015 las mein Vater in der Zeitung, dass auch die alte Klostermühle zu besichtigen sei. Also sind wir los, um uns das ganze mal aus der Nähe anzusehen.


Ich erinnere mich noch an die Dunkelheit in der Mühle. An den Geruch. Und daran, dass alles so aussah, als sei gerade erst die Schwester Müllerin in den Feierabend gegangen und hätte alles stehen und liegen gelassen. Die Mehlsäcke mit der Aufschrift „Klostergut Wettenhausen“ hingen noch an der Absackanlage. Es hatte einen morbiden Charme und ich fand es schade, dass darin kein Mehl mehr gemahlen wurde.


Natürlich haben wir die Gelegenheit genutzt und uns auch den Rest des Klosters angesehen. Die Führung hat damals Schwester Alberta (†)* gemacht. Eine lustige Schwester, voller Klugheit und Wissen. Zu ihr sagte ich dann auch, als wir im Vorraum zum Prälatenbau standen: Wenn hier eine Mühle war, dann gabs doch sicher eine Bäckerei?


Natürlich gab es die! Schwester Alberta meinte, ich solle einmal beim Kellerfenster hineinsehen, dort könnte ich sie sehen. Und das tat ich und ich sah eine Knetmaschine.

Von Menschen und Dampfbacköfen

Obwohl sie von einem weißen Leinentuch zugedeckt war, wusste ich, dass eine Knetmaschine dort in der Ecke stand. Und ich brauchte eine um den schweren Roggenteig besser kneten zu können. Also schrieb ich tagsdarauf eine E-Mail an das Kloster und fragte, ob die Maschine zu verkaufen sei.
An den Anruf erinnere ich mich heute noch, genauso wie Olaf, am anderen Ende der Leitung. Jaaa, also was ich denn damit anfangen würde? Und direkt zu verkaufen sei sie nicht, aber ich könnte ja mal vorbeikommen und sie mir ansehen?
Natürlich habe ich das auch gemacht. Mit Olaf saß ich damals zusammen und wir redeten über Brot, Gott und die Welt. Und Olaf fragte mich dann auch, ob ich mir das ganze denn einmal ansehen wollen würde. Schnurstraks ging es dann hinunter unter den Kreuzgang in die alte Klosterbäckerei. Und auch diesen Augenblick werde ich nie vergessen. Alles war tip top, als wäre gerade noch gebacken geworden. Alle Maschinen waren mit Leinentüchern abgedeckt, dass ja kein Staub daran gerate. Und dann dieser mächtige Backofen. Mein Gott, so etwas habe ich noch nie gesehen.

Ein Dampfbackofen! Also ein Ofen, bei dem Wasser in geschlossenen Rohrschlagen mittels eines Brenners überhitzt wird. Das überhitzte Wasser gibt dann die Wärme über die im Ofen verlaufenden Rohrschlangen wieder an das Gebäck ab. Ein Meilenstein der Ingenieurskunst! War es doch diese Art Ofen nach einem Patent des englischen Ingenieurs Perkins, der den altdeutschen Steinbackofen ablöste. Diese Technik erlaubte es zum allerersten Mal mehrere „Schuss“ Brot hintereinander zu backen, ohne ein Feuer im Garraum zu entzünden. Dieses Schätzchen wurde 1964 gebaut, wiegt 23 Tonnen und kann 100 kg Brot auf einmal fassen.

Dampfbackofen nach Perkinsprinzip, Baujahr 1964 der Firma MiWe

Ich war beeindruckt. Olaf fragte mich, ob ich denn nicht mal Lust hätte hier probeweise zu backen? Vielleicht sowas wie nen Klosterfladen? Mit Rahm und Speck und Schnittlauch?

Tja… ich hatte ja keine Ahnung davon. Nur für unsere Familie habe ich abundzu mal etwas gemacht. Aber gleich in einer Bäckerei? Naja gut, warum nicht. Was soll schief gehen?

Und so hat das ganze angefangen in der Bäckerei im Kloster Wettenhausen https://www.klosterwettenhausen.de/

Seitdem backe ich im Kloster mit einer Ausnahmebewilligung der Handwerkskammer. Und ich liebe es sehr. Ich mag die Atmosphäre dieser alten Mauern, die gleichzeitig Stille und doch Geborgenheit ausstrahlt. Ich mag die Menschen die dort leben und arbeiten und ich mag den Duft von frischem Brot, der durch die Gänge wabert und alle in die Backstube lockt… 🙂

*Schwester Alberta ist am 06. April 2021 verstorben. Ich werde Sie vermissen. Der Herr gib Ihr die ewige Ruhe.