Hildegards Lieblingsbrot

Nun, ich weiß nicht, ob es wirklich das Lieblingsbrot der Hildegard von Bingen gewesen wäre. Allerdings vereint es vieles von dem, was die große Gelehrte in Ihren Abhandlungen den Menschen als Rat hinterlassen hat. Die große Liebe zum Dinkel der Schwester und Ihr Wissen um die Heilkraft verschiedener Kräuter wird in diesem Rezept vereint.

Zum Dinkel schreibt die Schwester Hildegard:

„Dinkel ist das beste Getreide, fettig und kraftvoll und leichter verträglich als alle anderen Körner. Es verschafft dem, der es isst ein rechtes Fleisch und bereitet ihm gutes Blut. Die Seele des Menschen macht er froh und voll Heiterkeit. Und wie immer zubereitet man ihn isst, sei es als Brot, sei es als andere Speise, ist er gut und lieblich und süß.“

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Dinkel ist ein Urahn unseres heutigen Weizens. Das Korn ist von einem Spelz umgeben, zählt also zu den Spelzgetreiden, wie z. B. Gerste und Hafer auch, und ist somit von äußeren Witterungseinflüssen gut geschützt. Das Korn weist daher in der Regel eine geringere Schadstoffbelastung auf und ist nicht so stark anfällig für Getreidekrankheiten. Dinkel ist relativ anspruchslos und gedeiht oft auch auf kargen Böden. Diese Eigenschaft hat ihn viele Jahre lang vor allem im Schwäbischen einen hohen Stellenwert beigebracht. Die kargen Böden der schwäbischen Alb zum Beispiel waren für den Dinkel ein optimales Refugium. Dass er vor allem im Schwäbischen sehr gerne angebaut wurde, zeichnet sich heute noch in allerlei Ortsnamen ab, wie z. B. Dinkelscherben in der Nähe zu Augsburg.

Dinkel hat trotz seiner vielen positiven Eigenschaften, insbesondere hinsichtlich des Geschmacks und der Ernährungsphysiologie, auch einige Herausforderungen zu bieten bei der Vearbeitung. Dinkel hat die unangenehme Eigenschaft, dass er „trockenbackt“, was bedeutet, dass nach dem Backprozess die Krume trocken wirkt und die Sensorik beim Verzehr darunter leidet. Beim Knetprozess sollte auch vorsichtig mit dem Getreide umgegangen werden, da sich Dinkelteige leicht überkneten lassen und das sich bildende Glutengerüst dadurch zerstört würde. Dinkel hat im Vergleich zu Weizen eine unterschiedliche Zusammensetzung seiner Proteine, was diese Eigenschaften herbeiführt.

Im Schwäbischen wusste man schon lange, was getan werden muss um trotzdem schmackhafte Gebäcke zu erhalten. Es wird daher viel Wasser dem Teig zugegeben und dieser lange zur Quellung stehen gelassen, damit die Teige zur Verarbeitung und als spätere Backwaren optimal sind. Beste Beispiele für diese Art des Umgangs mit Dinkel sind die genetzten Brote oder auch die schwäbische Seele (beides wirklich nur echt mit richtigem Dinkelmehl). In diesem Rezept wollen wir die Verquellung durch verschiedene Vorstufen herbeiführen. Ich habe mich für den Einsatz eines Vorteiges und eines Brühstücks entschieden. Man könnte noch weitere Maßnahmen treffen, aber fürs Erste bin ich recht zufrieden damit. Verbessern kann man immer noch 🙂

Dinkel eignet sich übrigens auch hervorragend zum Zubereiten von Spätzle 🙂 Dies nur am Rand, jetzt zum Rezept:

Hildegards Lieblingsbrot

(Dinkel-Roggen-Mischbrot mit Kräutern und Gewürzen)

TE: 2350 g

Sauerteig:

  • 245 g Roggenmehl 1150
  • 196 g Wasser
  • 12 g Anstellgut vom Roggensauerteig

Alles gründlich miteinander vermischen und bei ca. 27°C ca. 16 h zur Reife bringen

Vorteig:

  • 140 g Dinkelmehl 812
  • 140 g Wasser
  • 1,4 g Hefe

Alles gründlich vermischen, 1 h bei Raumtemperatur anspringen lassen und danach auch für ca. 16 h in den Kühlschrank geben.

Mehlbrühstück:

  • 45 g Dinkelmehl 812
  • 136 g Wasser (mindestens 60°C)

Das heiße Wasser zügig mit dem Mehl (am Besten gelingt dies mit einem Schneebesen) vermischen und gut 5 h ausquellen lassen. Das Brühstück sollte dann puddingartig aussehen. Zur Lagerung kann es auch im Kühlschrank geparkt werden, allerdings bitte nicht länger als einen Tag.

Hauptteig:

  • 441 g Sauerteig (ohne ASG)
  • 181 g Brühstück
  • 281 g Vorteig
  • 245 g Roggenmehl 1150
  • 725 g Dinkelmehl 812
  • 428 g Wasser
  • 9 g Hefe
  • 28 g Salz

Gewürzmischung (optional):

  • 2 g Ysop
  • 2 g Quendel
  • 1 g Bohnenkraut
  • 1 g Oregano
  • 2 g Galgantwurzel gemahlen
  • 2 g Betram gemahlen 

10+3 Minuten Kneten (langsam und schnell, der Teig sollte nur eine ganz leicht klebrige Oberfläche aufweisen nach dem Knetvorgang)
TT: 25-26°C
15 Min. Teigruhe
Rundwirken und im Gärkörbchen bei 30°C ca. 45 Minuten gehen lassen. Bitte keine zusätzliche Feuchtigkeit in der Gare.
Bei knapp 3/4 – volle Gare den Teigling auf den Backstein des 250°C vorgeheizten Ofens einschießen uns sofort Schwaden geben. Diesen 2-2,5 Minuten im Ofen belassen, dann Ofentüre öffnen und Schwaden ablassen.
Nach 10 Minuten Backzeit den Ofen auf 210°C zurückschalten und den Laib knapp 70-80 Minuten ausbacken. Nach dem Ausbacken das Brot mit Wasser abstreichen oder mit einer Blumenspritze abspritzen (für den Glanz).

Das Brot ist genauso wie ich es mir vorgestellt hatte, groß und schön gugelig, dadurch bleibt es saftig. Die Gewürze treten nicht in den Vordergrund, sondern duften einfach nur herrlich. Allein der Geruch als ich es im Ofen hatte war einfach atemberaubend. Dazu ein Stück guter Käse, etwas Quittengelee oder auch Birnhonig (auch nach Hildegard von Bingen) und man dürfte wohl im 7. Himmel sein. Ich wäre es zumindest.

Zu den verwendeten Gewürzen:

(Hinweis: Ich bin kein Mediziner, daher kann das nachfolgende nicht als Gesundheitsberatung angesehen werden, sondern dient lediglich dem informativen Charakter. Der Gang zum Arzt bei Beschwerden bleibt meinen Lesern daher nicht erspart.)

Ich persönlich mag die Hildegard Kräuter- und Gewürzmedizin und Ihre Erkenntnisse über deren Heilkraft sehr. Viele haben zwar die Meinung es handele sich mehr um Esoterik, allerdings kann ich aus persönlicher Erfahrung sprechen, dass mir Ihre Erkenntnisse immer sehr hilfreich waren. Dies nur am Rande. Was sind das nun also für Kräuter und Gewürze die ich im Rezept verwendet habe?

Ysop

Ysop soll den Leber- und Lungenleidenden helfen. Hildegard von Bingen schreibt dazu:

„Ist die Leber durch Traurigkeit krank, so koche er Junghühner mit Ysop und er esse sowohl den Ysop wie auch dieses Junghähnchen oft und die Traurigkeit weicht…“

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Quendel

Der Quendel oder auch Feldthymian genannt, stellt quasi die Wildform unseres Küchenthymians dar und soll nach der Hildegard von Bingen gut für die Haut sein, sie schreibt dazu:

„Wenn ein Mensch krankes Fleisch (Gewebe) hat, so dass sein Fleisch (Haut) wie räudig ausblüht, der nehme Quendel und esse es mit Fleisch oder Gemüse gekocht oft, und das Gewebe (Fleisch) seines Körpers wird von innen heraus geheilt und gereinigt werden“ 

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Bohnenkraut

Bohnenkraut oder auch Pfefferkraut wird bei uns im Regelfall in der Küche zum Einsatz kommen, wenn wir Hülsenfrüchte zubereiten. Das Gewürz sorgt dabei für eine gute Verdauung und soll Blähungen vorbeugen. Das es auch Pfefferkraut genannt wird, liegt daran, dass es gut würzende Eigenschaften aufweist und eine leichte Pfefferschärfe mit sich bringt.

Oregano

 Auch Oregano dient der Würzung und bringt leicht pfeffrige Noten mit sich. Er ist neben Thymian einer der Pflanzen die von (Wild)-Bienen und Schmetterlingen sehr geschätzt wird. Wer also den kleinen Insekten etwas gutes tun will, sollte diese Pflanzen in seinem Garten haben.

Galgant

Galgant ist eine Art Ingwer, jedoch nicht ganz so scharf, wie der uns bekannte. Er wird von der Hildegard von Bingen ganz besonders geschätzt für Herzleiden und Schwierigkeiten mit Magen und Galle, Galgant wirkt belebend und aktivierend. Sie schreibt dazu:

“Wer im Herzen Schmerzen leidet und wem von Seiten des Herzens ein Schwächeanfall droht, der esse sogleich eine hinreichende Menge Galgant und es wird im besser gehen. Und ein Mensch, der ein hitziges Fieber in sich hat, trinkt Galgantpulver in Quellwasser und er wird das hitzige Fieber löschen.“

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Bertram  

Betram soll für eine gute Verdauung sorgen und Verdauungsbeschwerden beseitigen. Er sorgt für Bekömmlichkeit und soll dafür sorgen, dass Nährstoffe im Darm optimal aufgenommen werden. Die Hildegard von Bingen schreibt:

„einem Gesunden Bertram zu essen weil er schlechte Säfte in ihm vermindert und das gute Blut vermehrt und im Menschen den Intellekt reinigt. Einen Kranken, der körperlich fast ganz heruntergekommen ist, bringt er wieder zu Kräften. Er lässt im Menschen nichts unverdaut, sondern bereitet gute Verdauung, wenn man ihn fleißig isst. Er mindert die Verschleimung im Kopf, und führt zur Säfte-Reinigung und klärt die Augen. Ob man ihn trocken isst, oder in Speisen, ist Bertram nützlich und gut einem kranken und einem gesunden Menschen. Er scheucht das Kranksein von ihm und hindert das Krankwerden. Er lockt im Mund Feuchtigkeit und Speichel an, weil er schlechte Säfte ausleitet und Gesundheit zurückgibt.“ 

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