Hefe – In eigener Sache

In letzter Zeit merke ich immer mehr, wie Hefe in diversen Internetforen konsequent vermieden wird und sich langsam eine Art „Manie“ oder „Angst“ herausbildet. Viele Hobbybäcker verwenden sehr wenig Hefe und weichen auf eine längere Gare aus.

Woher kommt diese „Aversion“?

Einen plausiblen Grund kann ich für mich erst einmal nicht entdecken. (Außer vllt. eine wirkliche Allergie oder Unverträglichkeit gegenüber industriell hergestellter Presshefe) Was zu diesem Trend führt kann m E. n. daher kommen, dass von der Universtität Hohenheim eine Studie veröffentlicht wurde, die sich mit FODMAPS beschäftigt. Fodmaps sind niedermolekulare Zucker, die im Verdacht stehen viele Unverträglichkeiten, insbesondere beim Verzehr von Weizenprodukten, zu verursachen. Diese niedermolekularen Zucker werden bei Betroffenen im Dünndarm von den dort ansässigen Darmbakterien verdaut und vergoren und können zu Beschwerden, wie Blähungen oder Unwohlsein im ganz Allgemeinen führen.

Ich muss an dieser Stelle jedoch sagen, dass es DERZEIT keine klinische Studie gibt, die mir bekannt ist, die diesen Verdacht bestätigen oder widerlegen kann.

Fakt ist, dass viele Betroffene mit weniger Beschwerden zu kämpfen haben, wenn lange Teigführungen und Teigruhezeiten angewandt und eingehalten werden.

Was hat dies nun mit der Hefe zu tun?
Je mehr Hefe in einer Backware verwendet wird, desto schneller ist die Stückgare herbeizuführen. Je weniger Hefe, desto länger dauert dieser Garprozess. Dies hat allerdings auch etwas mit der Gartemperatur zu tun. Ein komplexes Zusammenspiel aus vielen Faktoren kann man hier finden und allein darüber lässt sich ein Buch schreiben.

Die in diesem Zusammenhang oft zitierte Studie (s. o.), die zu dem Ergebnis kommt, man solle Teigen mindestens 4 h Zeit zum Gehen geben, damit die Fodmaps fast vollständig abgebaut werden, hat einen ganz entscheidenen Nachteil (so sehe ich das zumindest): Die Parameter betragen 4,2% Hefe, 30°C und 4 h. Es gibt keine Variation in Temperatur, Hefemenge o. ä.. Aus diesem Grunde finde ich, der Schluss, dass weniger Hefe+lange (kalte) Gare = weniger Fodmaps = bessere Verträglichkeit hier nicht zum Tragen kommen kann. Die Universität Hohenheim hat derzeit auch keine Bestrebungen in dieser Hinsicht weiterzuforschen. Daher muss man mit dieser Schlussfolgerung vorsichtig umgehen.

Noch etwas: Ja, industrielle Presshefe mag Ihre Nachteile haben, insbesondere bei der Produktion. Im Gegensatz zur Biohefe (die auf Weizen gezüchtet wird), wird konventionelle Hefe auf Zuckermelasse gezüchtet, ein Abfallstoff aus der zuckerverarbeitenden Industrie. Hier bin ich persönlich etwas in der Zwickmühle. Einerseits hat die konventionelle Hefeproduktion zwar Ihre Nachteile, aber muss ich für die bessere Alternative einwandfreie Lebensmittel verwenden, wenn ich doch auch Abfallstoffe verwenden kann und diesen dann eine weitere Möglichkeit gebe, verwendet zu werden? Dies muss jeder für sich entscheiden und ist schlicht und ergreifend auch eine Glaubenssache. Ich möchte mich dieser Diskussion daher enthalten.

Das Ausweichen auf Hefealternativen kann man machen. Allerdings gebe ich folgendes zu bedenken: Es handelt sich im Regelfall immer um den selben Pilz der seine Arbeit verrichtet, Saccharomyces cerevisiae, und warum soll ich mir den aufwendig zu Hause züchten und eine mögliche Verunreinigung mit anderen Mikroorganismen riskieren, wenn ich doch aber von der Industrie ein Reinprodukt mit hoher Güte bekommen kann? (Robert Koch sei dank.) Auch das ist eine Glaubensfrage… allerdings, der Pilz bleibt derselbe. An der Chemie im Teig ändert sich dadurch erst einmal nichts.

Was die Rezepte in diesem Blog anbelangt: Ich verwende Hefe. Sie ist zuverlässig und ich kann optimale Ergebnisse erwarten. Ich setze allerdings auch Vorstufen, Vor- und Sauerteige ein wo es geht. Die von mir verwendete Hefemenge richtet sich dabei nach verschiedenen Kriterien (Triebfähigkeit des Sauers, Zeitfenster, Temperturen, Lagermöglichkeiten, praktische Umsetzbarkeit, Rezepturbestandteile usw.).

Allerdings hält sich die von mir verwendete Hefemenge in Grenzen. An folgende mir selbst auferlegte Gesetzmäßigkeiten versuche ich mich zu halten:

Für Brote rechne ich mit einer maximalen Hefemenge von 1,5% pro Rezept.
Für Kleingebäck (Brötchen, etc.) sind es meistens um die 3 %.
Für Süßteig (je nach Fett- und Zuckeranteil) sind es nicht mehr als 5 % Hefe.

Diese Mengen kann ich vertreten und jeder der weniger Hefe verwenden will, darf das gerne tun. Allerdings stelle ich hier meine Rezepte unentgeltlich jedem zur Verfügung, in die ich viel Zeit und Energie investiert habe und daher finde ich Kritik an den hier veröffentlichten Rezepten, insbesondere an der Verwendung von Hefe oder deren Menge eher unangebracht. Die von mir verwendeten Hefemengen richten sich an die für die Bäckereien üblichen Mengen. Weniger geht immer, mehr natürlich auch, ist aber nicht immer praktikabel und notwendig. Da ich selbst keine Hefeunverträglichkeit habe, werde ich sie auch weiterhin in dem Maße nutzen, wie ich es für richtig erachte.