Getreide selbst mahlen – Gibt es da etwas zu beachten?

Ist es ein neuer Trend? Zumindest liest man wieder öfter davon: Getreide selbst mahlen. Die Amerikaner haben es gerade wieder für sich entdeckt und es schwappt langsam zu uns hinüber. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass mein Vater als ich noch ein Kind war, schon Getreide selbst gemahlen hat. Ich habe zu meinem Geburtstag auch eine Steinmühle geschenkt bekommen und mahle dort abundzu mein Getreide selbst. Warum auch nicht… Getreide lässt sich wesentlich länger lagern als Mehl und für die Sauerteigfütterung ist Vollkornmehl immer von Vorteil.

Im Internet taucht immer wieder die selbe Frage auf: Frisch gemahlenes Mehl verbacken, oder abgelagertes? Daran scheiden sich offenbar die Geister. Diejenigen die auf frisch gemahlenes Mehl setzen, erhoffen sich, dass möglichst alle Nährstoffe, Vitamine etc. erhalten bleiben sollten.
Abgelagertes Mehl hat aber auch seine Vorteile, daher werde ich mich drarauf etwas stützen.

Mehl muss eine gewisse Reifezeit durchlaufen, insbesondere trifft das auf Weizenmehl zu. Hintergrund ist, dass die weizeneigenen Proteine (z. B. Cystein) über SH-Gruppen verfügen, die dafür sorgen können, dass die Backfähigkeit von frisch gemahlenem Mehl schlechter ist. Durch die Ablagerung kommt es zu einer Oxidation jener SH-Gruppen, sodass die für die Ausbildung des Glutengerüsts notwendigen Schwefelbrückenbindungen leichter ausgebildet werden können. Wie sieht es bei den Mühlenbetrieben aus? Im Regelfall sollten die Müller Ihre Mehle auch zur Ablagerung bringen, allerdings muss man sich vor Augen halten, dass der Platzbedarf über die Lagerzeit enorm ist (mehrere Tonnen Mehl pro Tag zu lagern ist eine logistische Herausforderung). Kann oder wird dies nicht so praktiziert, wird dem Mehl meistens Ascorbinsäure (Vitamin-C) zugesetzt. Die Dehydroxy-Ascorbinsäure sorgt dafür, dass eben jene SH-Gruppen oxidiert werden können und somit die Kleberstabilität verbessert wird. Die Ablagerung sollte 1-2 Wochen betragen.

Zwei Gedanken sind noch zu ergänzen: In der „Heimmüllerei“ kann NUR Vollkornmehl hergestellt werden. Durch Absieben lassen sich lediglich grobe Kornbestandteile, wie Schalenteile entfernen. Ein Auszugsmehl lässt sich nicht herstellen. Hinzukommt, dass bei Vollkornmehlen der Keimling mitvermahlen wird. Der Keimling enthält Lipide (Fett), welche über eine verlängerte Lagerzeit ranzig werden können. Vollkornmehl hat aus diesem Grund eine geringere Haltbarkeit gegenüber Auszugsmehlen. Diese Zeiträume sind allerdings in Monaten zu bemessen und sorgen nicht dafür, dass ein Mehl immer sofort nach dem Mahlen auch verbacken werden muss.

Sollten mir neue Erkenntnisse vorliegen, oder ich es als notwendig erachte die o. g. Ausführungen zu ergänzen, werde ich dies tun. 🙂

Bis dahin, viel Spaß beim Selbermachen!

[Stand März 2018]